zerstörtes Flüchtlingsboot auf Lampedusa

Lampedusa & die Flüchtlinge auf Mittelmeerroute

205 km südlich von Sizilien liegt mit Lampedusa die südlichste Insel Italiens. Einst war die idyllische und landschaftlich reizvolle Insel als reizvolles Reiseziel zwischen Sizilien und Tunesien bekannt. Seit dem Jahr 2011 blickt jedoch die Welt regelmäßig auf Lampedusa, denn die Insel wurde zur Anlaufstelle von Flüchtlingen, die von Nordafrika über den Seeweg Europa erreichen möchten. Die bekannte Mittelmeerroute sorgte dafür, dass Lampedusa zeitweise zum weltweit bekanntesten Auffanglager für Flüchtlinge wurde.

Zwischen Verzweiflung und Hoffnung

Die Mittelmeerroute wurde zum wichtigsten Fluchtkorridor für Menschen aus Afrika und dem Mittleren Osten. Eine erste große Flüchtlingswelle übers Mittelmeer kam im Jahr 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings und des internationalen Militäreinsatzes in Libyen über Lampedusa. Während im Juli und August zahlreiche italienische Städter ihre Ferien gerne auf der Insel verbrachten und so in diesen Monaten circa 10.000 Menschen auf der Insel anzutreffen waren, liegt die Zahl der dauerhaften Bewohner bei circa 4.500. Im Jahr 2011 lag die Anzahl an Geflüchteten auf Lampedusa zeitweise bei circa 6.000 Personen, die in den Flüchtlingscamps versorgt wurden. Die Situation für die Flüchtlinge war aufgrund der hohen Zahl sehr schwierig und auch die Inselbewohner mussten sich mit der neuen Situation zurechtfinden. Um die Insel zu entlasten, wurden die Flüchtlinge durch die Marine auf das italienische Festland und nach Sizilien ausgeschifft. Doch der Flüchtlingsstrom riss nicht ab und so stieg nicht nur die Zahl an Flüchtlingen aus Libyen aufgrund des dort vorherrschenden Bürgerkriegs, sondern es kamen auch vermehrt Geflüchtete aus Somalia und Eritrea hinzu, die auf Lampedusa erstmals europäischen Boden betraten. Trotz der Tatsache, den gefährlichen Seeweg hinter sich gebracht zu haben, und trotz der Hilfsorganisationen, die die Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge vor Ort organisierten und übernahmen, waren die Zustände in den Flüchtlingsunterkünften auf Lampedusa mehr als nur chaotisch. Auch die Unsicherheit, die sich unter den Geflüchteten breitmachte, prägte das Dasein der Flüchtlinge. Doch jeder Flüchtling, der es bis nach Lampedusa schafft, hat die Überfahrt von der nordafrikanischen Küste bis nach Europa überlebt. Dieses Glück hatten und haben auch heute noch nicht alle Flüchtlinge, die bewusst das Risiko auf sich nehmen, um Europa zu erreichen und damit ein sicheres Leben.

Lampedusa nur die erste Station

Auf der Insel Lampedusa sind Flüchtlingslager von Beginn an der Flüchtlingswelle ein großes Thema geworden. Im Laufe der Zeit wurden auf Lampedusa die Flüchtlingslager organisierter und auch die Ausstattung und die Betreuung wurden verbessert, sodass sich auch die Situation für die sogenannten „Lampedusa Flüchtlinge“ vor Ort verbesserte und sich auch für die Inselbewohner wurde so die Situation entschärft. Nur die wenigsten Flüchtlinge blieben und bleiben auf Lampedusa, denn viele der hier ankommenden Flüchtlinge möchten weiter gen Norden und haben teilweise auch Verwandte und Freunde, die bereits in Europa ansässig sind. Die südeuropäischen Länder haben naturgemäß ein erhöhtes Flüchtlingsaufkommen. Entsprechend gibt es immer wieder Diskussionen über die Verteilung der Flüchtlinge. Mit Ankunft auf Lampedusa müssen die Geflüchteten einen Antrag auf Asyl stellen. Entsprechend wird hier der Antrag auf italienischem Boden gestellt, sodass Italien für die auf Lampedusa gestrandeten Flüchtlinge zuständig ist. Eine Weiterreise der Flüchtlinge in ein anderes europäisches Land ist aufgrund der Drittstaatenregelung normal nicht rechtens. Denn stellt ein Flüchtling einen Antrag auf Asyl und ist in ein Land über einen sicheren Drittstaat eingereist, kann er auch nur in diesem sicheren Staat einen Antrag auf Asyl wegen politischer Verfolgung stellen. Da dies eine enorme Belastung für Italien und andere südeuropäische Staaten bedeuten würde, wurden gerade während der großen Flüchtlingswelle Flüchtlinge auf mehrere europäische Staaten aufgeteilt, die sich bereit erklärten, eine gewisse Anzahl an Flüchtlingen aufzunehmen. So haben die Flüchtlinge selbst keinen Einfluss darauf welches Land letztlich bereit ist, sie aufzunehmen, oder ob sie bis zur Entscheidung über ihren Asylantrag in Italien verweilen müssen.

Italiens Versuche, die Ankunft neuer Flüchtlinge zu verweigern

Vor der Küste Lampedusas erlitten schon zahlreiche mit Flüchtlingen beladene Kutter und Boote Schiffbruch, sodass viele Flüchtlinge vor der Küste ertranken. Und auch immer wieder kamen Schiffe mit zahlreichen Flüchtlingen an, die den Fluchtweg nicht lebend überstanden. Seeretter sind auf dem Mittelmeer unterwegs, um Flüchtlinge aus misslichen Lagen zu retten, doch Italien verweigert Schiffen mit Flüchtlingen an Bord das Einfahren in die Häfen des Landes. So ankerte unter anderem im Jahr 2018 das Versorgungsschiff für Gas-Bohrinseln Starost 5 mehrere Wochen vor der tunesischen Küste, da es 40 Flüchtlinge von einem auf hoher See treibenden Holzboot rettete und mit den Flüchtlingen an Board weder einen Hafen in Tunesien, Malta oder Italien anlaufen durfte. Ein weiteres Beispiel aus dem Jahr 2018 ist die „Open Arms“ die eine dehydrierte Frau, eine verstorbene Frau und ein verstorbenes Kleinkind von einem Bootswrack einsammelte. Italien weigerte sich, dass die Leichen an Land gebracht werden konnten, doch wenigstens der Kranken hätte man sich angenommen. Letztlich fuhr das Schiff einer spanischen Hilfsorganisation einen Hafen in Spanien an. Die Gesetze der internationalen Seefahrt wurden somit von Italien und speziell durch Innenminister Matteo Salvini außer Kraft gesetzt. Italien verweist auf libysche Häfen, obwohl laut EU Libyen keine Sicherheit für Migranten bietet. Italien bleibt jedoch relativ rigoros und verweist darauf, dass dann sollen alle europäischen Länder die Flüchtlinge aufnehmen, aber nicht mehr Italien. Die besondere Härte der italienischen Abgrenzung zeigt sich darin, dass zeitweise auch ein Anlandeverbot für EU-Marineschiffe verhängt wurde. Immer wieder wird klar aus EU-Kreisen darauf hingewiesen, dass Italien den Tod der Geflüchteten in Kauf nimmt und so wiederholen sich immer wieder Bilder von Schiffen der Seenotretter, die durch das Mittelmeer fahren und keine Genehmigung bekommen die Häfen des Landes anzufahren, selbst wenn die Gesundheit der Geflüchteten oder die Versorgungslage an Bord dies unabdingbar erscheinen lassen. Selbst mit Zusage anderer Länder einen Teil der Flüchtlinge nach der Landung aufzunehmen, weigert sich Italien immer wieder aufs Neue nach dem Seerecht zu handeln. Dies zeigte im Jahr 2019 der Fall von Carola Rackete, die als Kapitänin der Sea-Watch 3 mit 53 Flüchtlingen aus Libyen wochenlang auf eine Genehmigung der italienischen Behörden wartete, anlegen zu dürfen. Am 29. Juni setzte Sie sich über das Verbot der Behörden hinweg und führ in den Hafen Lampedusas ein. Italien ließ die Kapitänin Festnehmen und stellte sie unter Hausarrest, welcher erst nach drei Tagen durch eine italienische Richterin aufgehoben wurde. Kritik am Verhalten Italiens kommt insbesondere vom Europäischen Gerichtshof, denn die Anweisungen von Italiens Innenminister Matteo Salvini verstoßen sowohl gegen das internationale Seerecht als auch gegen italienisches Recht. Anders als die italienische Regierung zeigen die Bewohner der Insel durchaus Empathie mit den Flüchtlingen, auch wenn klar ist, dass diese, wenn sie es auf die Insel schaffen, nicht lange auf Lampedusa bleiben können, bevor sie innerhalb Italiens bzw. in den Ländern der EU verteilt werden.

Flüchtlinge auf Lampedusa – die Meilensteine im Überblick

  • 2011 erste Welle des Flüchtlingsstroms infolge des Arabischen Frühlings und der Situation in Libyen. Die italienische Regierung unter Berlusconi rief den humanitären Notstand auf und Innenminister Robert Maroni kritisierte die Untätigkeit der europäischen Staaten. Verteilung der gut 6.000 Flüchtlinge auf Lampedusa in die Regionen des italienischen Festlands.
  • 2013 besuchte Papst Franziskus die Insel und gedachte der Toten mittels einer Messe an der circa 10.000 Menschen teilnahmen.
  • 2013 sank ein Kutter mit 545 Geflüchteten aus Somalia und Eritrea vor der Küste der Insel. Die Fischer der Insel retteten in Eigenregie 155 Menschen. Die italienische Regierung ermittelte gegen die Überlebenden wegen illegaler Einwanderung.
  • 2014 erneute höhere Zahlen an ankommenden Flüchtlingen auf Lampedusa durch den Beginn des Bürgerkriegs in Libyen. Die Mehrzahl der Flüchtlinge stammen aus Libyen und Syrien.
  • 2015 und 2016 Stieg die Zahl der Flüchtlinge nochmals stark an, während die Zahlen der ankommenden Flüchtlinge ab August 2017 sank.
  • 2019 fuhr Carola Rackete mit der Sea-Watch 3 in den Hafen ein, nachdem sie mit 53 Flüchtlingen an Bord, nachdem sie 15 Tage auf eine Genehmigung wartete. Bei der Einfahrt in den Hafen streifte sie ein Schnellboot der Guardia di Finanz und wurde noch im Hafen festgenommen. Der verhänge Hausarrest wurde nach 3 Tagen durch eine Richterin aufgehoben.
  • 2019 das Segelboot Alex der italienischen Hilfsorganisation Mediterranea legte mit 41 Flüchtlingen an Bord im Hafen von Lampedusa an. Im Vorfeld wurde dem Schiff durch den Innenminister die Einfahrt in italienische Gewässer verboten.
  • 2019 das Rettungsschiff Alan Kurdi der Hilfsorganisation Sea Eye musste mit 40 Flüchtlingen an Bord Kurs auf Malta nehmen, nachdem Innenminister Salvini die Einfahrt in den Hafen der Insel untersagte.
  • 2019 der Open Arms mit 123 Flüchtlingen an Bord, wurde die Einfahrt in den Hafen verweigert. Erst nachdem die EU-Kommisonspräsidentin Ursula von der Leyen Entlastung für Italien versprach, durfte das Schiff nach drei Wochen in den Hafen einfahren. Sowohl Deutschland als auch Frankreich, Spanien, Portugal und Luxemburg sagten zu die Flüchtlinge aufzunehmen.
  • 2019 Das Rettungsschiff Mare Jonio wurde mehre Tage an der Einfahrt in den Hafen gehindert. Als die Einfahrt letztlich doch erlaubt wurde, ließ die Regierung Italiens das Schiff beschlagnahmen und die Besatzung wurde mit einem Bußgeld über 300.000 Euro belegt.